KI und MES – Gemeinsam in die Zukunft der Fertigung
Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) und Manufacturing Execution Systems (MES) revolutioniert die Industrie. Autonome Fertigungssysteme versprechen höhere Effizienz, Flexibilität und Präzision – doch wie setzt man diese Vision um? Welche Anforderungen muss ein MES erfüllen, und wie viel Autonomie ist sinnvoll?
Thomas Krainz (Member of the Board & Strategic Product Management bei Industrie Informatik) erläutert in diesem Interview die Chancen und Herausforderungen der KI-Integration.
Dabei gibt er Einblicke in zentrale Anwendungsfelder wie vorausschauende Wartung, Qualitätssicherung und Produktionsplanung – und zeigt, wie Unternehmen mit klugen Strategien und passgenauen Lösungen die Fertigung der Zukunft gestalten können.
Herr Krainz, wie bewerten Sie die Integration von KI und MES zur Entwicklung autonomer Fertigungssysteme, und wie lassen sich die daraus resultierenden Anforderungen an ein MES praktisch umsetzen? Wie viel Autonomie ist für MES sinnvoll?
Krainz: Wir sehen in der Integration von KI und MES ein enormes Potenzial! Anwendungen ergeben sich in nahezu allen Bereichen, beispielsweise bei der Parameteranpassung von Anlagen, der Steuerung der Intralogistik, der Auftragsplanung oder bei spezifischen, kleineren Optimierungsaufgaben im Produktionsprozess. Allerdings ist es wichtig, KI nicht als Allheilmittel zu betrachten und nach dem Gießkannenprinzip verteilen zu wollen.
Für eine erfolgreiche Umsetzung sollten folgende Punkte im Vorfeld berücksichtigt werden:
- Digitalisierungsgrad der Anlagen: Sind die Anlagen ausreichend digitalisiert, und stehen alle relevanten Daten in geeigneter Form zur Verfügung?
- Einsatz alternativer Ansätze: Für kleinere Optimierungen kann es sinnvoll sein, einfache Algorithmen oder Rules-Engines einzusetzen, anstatt auf KI zurückzugreifen.
- Wirtschaftliche Betrachtung: Eine Kosten-Nutzen-Analyse sowie die Umsetzung in klar definierten, überschaubaren Use Cases sind essenziell, um den Mehrwert zu maximieren.
Das MES spielt hier eine zentrale Rolle als steuerndes System. Es sollte sicherstellen, dass Daten zum richtigen Zeitpunkt an KI-Systeme übermittelt und deren Ergebnisse effizient verarbeitet werden.
Nur durch eine sorgfältige Planung und Abstimmung zwischen MES, KI und den Fertigungsprozessen kann ein ausgewogenes Maß an Autonomie erreicht werden, das sowohl produktiv als auch wirtschaftlich sinnvoll ist.
Damit KI in der Lage ist, Muster zu erkennen, Vorhersagen zu treffen und Abweichungen zu identifizieren, spielt die Datenintegration eine entscheidende Rolle. Wie gehen Sie in Ihrem MES mit der Integration vorhandener Daten um, um Ihre Lösung möglichst intelligent und effizient zu gestalten?
Wir haben frühzeitig begonnen, spezifische Modelle für klassische Predictive-Anwendungsfälle wie Wartung und Qualität zu entwickeln. Dabei kombinieren wir Auftragsdaten und Zeitseriendaten in einem Preprocessing-Vorgang und leiten sie anschließend an das KI-Modell weiter. Ein wichtiges Ziel war es, das Funktionsprinzip von Machine-Learning-Systemen zu verstehen, um Plug-and-Play-Lösungen zu schaffen. So können unsere cronetwork MES-Module Daten auf Knopfdruck bereitstellen. Unsere Technologie ermöglicht es, Daten sowohl für Lernvorgänge aufzubereiten als auch Vorhersagen in Echtzeit in die Prozesse zu integrieren – von der Maschinenebene bis hin zum ERP-System. Dies funktioniert sowohl über die Bedienoberfläche als auch im Backend.
Ein wesentlicher Aspekt ist die Datenaufbereitung: Ein großer Teil der Arbeit besteht darin, die Datenqualität sicherzustellen, etwa durch das Filtern von Ausreißern. Wir bieten projektbezogene Lösungen, die ohne zusätzlichen Programmieraufwand umgesetzt werden können. Darüber hinaus unterstützen wir auch die Anbindung externer Systeme und fördern Make-or-Buy-Ansätze. Wenn ein Kunde bereits ein eigenes Modell nutzt, müssen nur mehr die Hyperparameter eingestellt werden. Dies ermöglicht maximale Flexibilität bei der Einbindung unterschiedlicher Systeme.
KI ermöglicht die Entwicklung vorausschauender Wartungssysteme, indem Echtzeitdaten analysiert werden, um den optimalen Zeitpunkt für Wartungsarbeiten vorherzusagen und ungeplante Ausfallzeiten zu reduzieren. Wie haben Sie diese Funktion umgesetzt?
Wir haben ein Modell auf Basis von Supervised Learning entwickelt, das beispielsweise die Wahrscheinlichkeit einer Arbeitsplatzstörung für die nächste Schicht vorhersagen kann. Zudem können wir in unsere Benutzeroberfläche eine grafische Einflussanalyse einbetten, mit der die Parameterwerte identifiziert werden, die den größten Einfluss auf die Vorhersage haben. Dieses quasi Plug&Play-Modul – basierend auf MES Daten – kann flexibel an spezielle Randbedingungen angepasst bzw. hierfür feingetuned werden.
Darüber hinaus erwarten wir, dass Maschinenhersteller künftig verstärkt Dienste zur Verfügung stellen, die speziell auf die Wartungsplanung ausgerichtet sind. Diese Dienste, basierend auf großen Mengengerüsten und tiefem Domänenwissen über die jeweiligen Anlagen, werden die Möglichkeiten im MES zusätzlich erweitern.
Wie sieht es im Bereich Echtzeitüberwachung und Sicherung der Produktqualität aus?
Ähnlich wie im Bereich Predictive Maintenance haben wir auch für die Qualitätsüberwachung ein Modell entwickelt, das beispielsweise den relativen Ausschuss eines Auftrags für die nächste Schicht vorhersagen kann. Auch hier stellen wir eine grafische Einflussanalyse bereit. Zusätzlich können diese Daten mit der Wahrscheinlichkeit von Maschinenausfällen in Beziehung gesetzt werden.
Darüber hinaus bieten wir die Möglichkeit, spezialisierte, KI-basierte Systeme wie z.B. Bilderkennung oder Anomalieerkennung in Schraubprozessen usw. in unsere FQS-Abläufe (fertigungsbegleitende Qualitätssicherung) zu integrieren. Die Ergebnisse dieser Systeme können direkt in unseren Meldeoberflächen angezeigt und verarbeitet werden, da wir die Erfassung von Qualitätsdaten nahtlos in unsere Abläufe eingebettet haben.
Wir sehen KI-gestützte Qualitätsvorhersagen als wichtige Unterstützung, um Fertigungsprozesse besser zu beherrschen und die Effizienz der Qualitätssicherung zu steigern. Allerdings sollte der Einsatz von KI gezielt auf die spezifischen Herausforderungen eines Unternehmens ausgerichtet sein und nicht wahllos zum Einsatz kommen.
Nutzen Sie KI in der Produktionsplanung und welche Vorteile sehen Sie in diesem Bereich?
Industrie Informatik hat eine lange Tradition in der Entwicklung von Planungssystemen. Unser umfangreiches APS (Advanced Planning and Scheduling), das auf heuristischen Planungsalgorithmen basiert, ist über 30 Jahre gewachsen und hat mittlerweile die Grenzen der komplexen Anwendbarkeit sowohl für Benutzer als auch für Entwickler erreicht. Vor etwa vier Jahren begannen wir, unser APS um eine KI-gestützte Optimierungskomponente zu erweitern.
Mit Hilfe von KI lernt das System eigenständig, den optimalen Einsatz von sogenannten Nachbarschaftsoperatoren, wie etwa den Tausch von Arbeitsplätzen oder Reihenfolgen, zu bestimmen. Dabei wird das menschliche Verhalten eines Planers nachgeahmt, der aufgrund seiner Erfahrung ähnliche Entscheidungen treffen würde. Die Bewertung der Ergebnisse erfolgt durch Zielfunktionen, die messbare Verbesserungen liefern.
Dies ist ein gutes Beispiel für die evolutionäre Weiterentwicklung eines MES-Systems. Für komplexe Planungsaufgaben können wir durch eine schnelle Vorberechnung mittels klassischer Heuristik Rechenressourcen schonen und die Rechenzeit, die für Optimierungsprozesse erforderlich ist, verringern. Gleichzeitig bleibt die bewährte Simulationsbewertung weiterhin ein integraler Bestandteil des Systems.
Der Einsatz von KI in der Produktionsplanung bietet klare Vorteile: Er verbessert die Effizienz und Genauigkeit der Planung und entlastet gleichzeitig den Planer durch automatisierte Entscheidungsunterstützung.