Inside Smart Factory

Trendtalk - Welche Trends bestimmen die Entwicklung von MES?

07.01.2025

Die Anforderungen an moderne Manufacturing Execution Systems (MES) verändern sich in rasantem Tempo. Technologische Fortschritte, neue regulatorische Vorgaben und die zunehmende Integration innovativer Ansätze wie KI und Cloud-Lösungen prägen die Branche.

Doch wie stellen sich MES-Hersteller diesen Herausforderungen, und welche Trends werden die Zukunft der Produktionssteuerung maßgeblich beeinflussen?

In diesem Interview werfen wir mit Thomas Krainz (Member of the Board & Strategic Product Management bei Industrie Informatik) einen Blick auf einige zentrale Entwicklungen, Strategien und Innovationen, die die MES-Welt der nächsten Jahre gestalten werden. Von der Integration von Chatbots und Sicherheitsstandards über hybride Cloud-Ansätze bis hin zur Weiterentwicklung der Kernfunktionen – spannende Einblicke in eine Branche im Wandel erwarten Sie.

Herr Krainz, wie sehen Sie den zukünftigen Funktionsumfang eines MES? Wie begegnen Sie dieser Entwicklung, und welche Anforderungen der Zukunft haben Sie bereits umgesetzt oder planen Sie kurz- bis mittelfristig in cronetwork zu integrieren?

Krainz: Im Kontext der „Auflösung der klassischen Automatisierungspyramide“ arbeiten wir seit Jahren an mehreren zentralen Themenbereichen, um unser MES zukunftsfähig zu gestalten:

Technische Weiterentwicklung: Wir legen großen Wert auf die Integrations- und Kommunikationsfähigkeit unseres MES sowie auf offene Architekturen, die von der Steuerungsebene bis in die Cloud reichen. Diese Offenheit ermöglicht eine nahtlose Zusammenarbeit mit anderen Systemen und Plattformen.

Projekt- und Nutzerorientierung: Die steigenden Anforderungen an Individualisierbarkeit erfordern maßgeschneiderte Lösungen. Dazu gehören flexible Benutzeroberflächen für unterschiedliche Nutzergruppen – von Werker und Meister bis zur Arbeitsvorbereitung und Produktionsleitung – sowie anpassbare Abläufe und eine einfache Integration in die bestehende Softwarelandschaft. Dies erfordert nicht nur technologische Innovationen, sondern auch neue Kompetenzen in den Consulting-Abteilungen.

Fokussierung auf MES-Kernfunktionen: Trotz der wachsenden Anforderungen bleibt die Optimierung der MES-Kernfunktionen ein zentraler Schwerpunkt. Während früher versucht wurde, sämtliche Shopfloor-Anforderungen direkt im MES zu bündeln, hat sich mittlerweile ein stärkerer Fokus auf Standardisierung etabliert – unterstützt durch Richtlinien wie VDI und VDMA. Angesichts der zunehmenden Komplexität von Smart-Manufacturing-Lösungen prüfen wir sorgfältig, welche Funktionen direkt ins MES integriert werden sollten und welche besser durch Best-of-Breed-Systeme abgedeckt werden. Ein hilfreicher Maßstab dabei ist die Standardisierbarkeit von Prozessen und Abläufen.

Mit diesen Strategien sichern wir die Zukunftsfähigkeit unseres MES und unterstützen unsere Kunden dabei, flexibel und effizient auf kommende Herausforderungen zu reagieren.

Thomas Krainz, Industrie Informatik GmbH

 

Chatbots sind aus dem Alltag kaum mehr wegzudenken. Sehen Sie auch Potenziale für den Einsatz von Chatbots in MES-Lösungen?

Die Entwicklung von Chatbots schreitet rasant voran, vor allem durch große Softwarehersteller. Diese Technologie, die intuitiv und selbst für Kinder nutzbar ist, wird mittelfristig auch in Business-Software wie MES-Lösungen eine Rolle spielen. Wir sehen derzeit zwei wesentliche Einsatzbereiche, welche wir evaluieren:

  • Stand-alone-Anwendungen: Hier könnte ein Chatbot als mobile Lösung ähnlich wie ChatGPT genutzt werden, um kleinere Aufgaben im MES-Alltag zu erledigen. Beispiele wären die Abfrage von Maschineninformationen oder des Urlaubsstatus.
  • Integrierte Chat-Portlets: Ein weiterer Anwendungsbereich wäre ein Chat-Portlet, das direkt in unseren frei konfigurierbaren Benutzeroberflächen integriert ist. Dieses könnte im Kontext anderer Portlets agieren und so nahtlos in bestehende Arbeitsprozesse eingebunden werden.

Wir prüfen in diesem Zusammenhang auch, ob für solche Anwendungen private Language Models erforderlich sind und wie diese wirtschaftlich betrieben werden können.

 

Sicherheit ist ein zentrales Thema, und der EU Cyber Resilience Act gibt klare Vorgaben. Wie setzen Sie Sicherheitsanforderungen in Ihren MES-Lösungen um?

Der EU Cyber Resilience Act, der im Oktober verabschiedet wurde, liefert uns konkrete Anforderungen, die wir in unsere Software-Komponenten integrieren. Ein Beispiel hierfür ist die Zwei-Faktor-Authentifizierung, die Sie vielleicht schon aus dem E-Banking kennen. Aber auch in der Softwareentwicklung gibt es Anforderungen wie die SBOM (Software Bill of Materials), die auf Knopfdruck alle verwendeten Softwarekomponenten und Librarys dokumentiert, auf Sicherheitslücken prüft und zeitnah relevante Patches bereitstellt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Umsetzung der NIS2-Richtlinie. Diese betrifft uns als Softwarehersteller, SaaS-Anbieter und Zulieferer für Unternehmen ab 200 Mitarbeitern, die in Lieferketten eingebunden sind. Hier legen wir besonderen Fokus auf die ISO 27001-Zertifizierung, die ein hohes Sicherheitsniveau gewährleistet.

Auch im Bereich KI-Anwendungen stehen neue Herausforderungen an, wie beispielsweise Adversarial und Poisoning Attacks. Diese Angriffe manipulieren Eingabe- oder Trainingsdaten und sind oft schwer zu erkennen und zu lösen.

Welche Strategie verfolgen Sie, wenn es um cloudbasierte Lösungen versus On-Premise Lösungen geht?

Wir bieten sowohl On-Premise- als auch cloudbasierte Lösungen an, um den unterschiedlichen Anforderungen unserer Kunden gerecht zu werden. Dabei legen wir großen Wert darauf, flexible Architekturen zu unterstützen, die hybride Szenarien – also Mischformen aus Cloud- und On-Premise-Lösungen – ermöglichen.

Eine entscheidende Grundlage ist der Einsatz von Technologien und Architekturen, die den gesamten Informationsfluss von der Edge über Fog bis in die Cloud abbilden können. Diese Lösungen müssen nicht nur leistungsfähig und skalierbar sein, sondern auch die Persistierung, den Transport und die Verarbeitung von Daten zuverlässig sicherstellen.

Für smarte Fertigungslösungen ist neben der Technologie auch das richtige Know-how essenziell. Wir setzen auf erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die neben klassischen Consultingaufgaben auch in Bereichen wie Solution Design und der Individualisierung von Systemen mittels No-Code- und Low-Code-Technologien spezialisiert sind. So können wir ausgehend vom MES hochindividualisierte Fertigungslösungen mit intelligenten Add-ons orchestrieren.

Durch innovative Ansätze schaffen wir Lösungen, die KI-basierte Planung, intralogistische Unterstützung und weitere smarte Features bieten. Gleichzeitig achten wir darauf, dass diese Lösungen wartungsfreundlich bleiben und strikte Release-Standards einhalten.

MES-Hersteller sollten in der Lage sein, intelligente Shopfloor-Lösungen zu entwickeln und zu orchestrieren, indem sie tiefgehendes Prozess-Know-how einbringen. Ziel ist es, die Kernfunktionen des MES nahtlos mit der bestehenden Softwarelandschaft und Best-of-Breed-Komponenten zu integrieren.

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Geschrieben von:
Anita Peherstorfer
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